Ich bin niemand Besonderes. Als Kind wird uns oft erzählt, wir seien einzigartig und könnten alles erreichen, jedes Ziel verwirklichen, jeden Traum wahr werden lassen. In meiner Jugend verstärkte sich dieser Glaube und begleitete mich wie ein unsichtbares Versprechen, das mir jedoch zunehmend Last statt Leichtigkeit brachte. Ich begann fest daran zu glauben, dass ich eine außergewöhnliche Zukunft vor mir hätte – dass ich ein begnadeter Musiker, ein brillanter Wissenschaftler oder Informatiker werden würde. Doch mit 46 Jahren traf mich die Erkenntnis: Nichts davon war wahr. Nichts davon hat mich im Leben wirklich vorangebracht. Im Gegenteil, der ständige Blick zu den Sternen ließ mich das übersehen, was im Hier und Jetzt, in greifbarer Nähe, hätte gelebt werden können.
Statt das Leben einfach zu erfahren, jagte ich einem Ziel hinterher, das mir, so dachte ich, als „Schicksal“ zusteht. Nun, mit einem großen Teil meines Lebenswegs hinter mir, erkenne ich, dass die Wahrscheinlichkeit, die kindlichen Träume und Versprechen zu erfüllen, rapide sinkt. Es fühlt sich an, als ob der Zug des Lebens die letzten Kurven nimmt und bald in den Zielbahnhof einfährt.
Doch dies ist keine Anklage, kein Ausdruck von Verzweiflung oder der erste Hauch einer Midlife-Crisis. Es ist eine Erkenntnis, ein Abstreifen der Last, ein Schütteln der Erwartung, ein Schicksal oder eine besondere Berufung erfüllen zu müssen, die mir einst wie ein Mantel umgelegt wurde. Das Leben fühlt sich leichter und freier an, wenn man sich auf das konzentriert, was direkt vor einem liegt, ohne starre Pläne und übergroße Erwartungen. Tatsächlich waren es jene Zeiten im Leben, in denen ich ohne bestimmte Erwartungen – meine oder die anderer – gelebt habe, die mich wirklich weiterbrachten und prägten.
Ich möchte mich nicht länger um unerfüllte Erwartungen oder geplatzte Illusionen sorgen. Vielmehr möchte ich zu mir selbst finden, zu dem, was ich inzwischen über mich weiß: was mir leicht fällt, was mir schwer fällt und was mir einfach nicht liegt. Ich bin in meinem Beruf erfolgreich, auch wenn dieser nicht der ursprünglich geplante war. Doch er entstand aus meiner Leidenschaft und Neugier, die mich bis heute begleiten. Geld war mir nie besonders wichtig, wenngleich ich als junger Mensch oft mit wenig auskommen musste. Ich stamme aus sehr einfachen Verhältnissen, mit beschränkten Mitteln und Möglichkeiten. Rückblickend waren die großen Träume und das schwere Versprechen meiner Kindheit oft hinderlich, sie raubten mir mehr Energie, als sie mir gaben.
Doch es waren nicht nur meine Träume und Erwartungen, die mich Energie kosteten, sondern auch die Menschen um mich herum. Menschen mit festgefahrenen Ansichten, selbst gefangen in eigenen Problemen, projizierten ihre Sichtweisen auf mich und so entstand oft eine ungesunde Wechselwirkung. Ich erkenne heute, wie prägend das Umfeld ist, in dem man aufwächst, und welche Rolle das finanzielle Fundament des Elternhauses spielt. Schon als Sechsjähriger träumte ich davon, einen Computer zu besitzen. Doch das war so unerreichbar wie der Wunsch nach einem Raumschiff. Für manche meiner Mitschüler aus wohlhabenderen Familien hingegen war es ein Leichtes, solche Wünsche zu verwirklichen. Ich erinnere mich an Gespräche, in denen ich anderen von meinen Träumen erzählte. Oft wurde meine Begeisterung angesteckt und führte dazu, dass sie sich ebenfalls diese Dinge wünschten – und bald erhielten.
Doch ich blieb bei meinen Träumen, und mit der Zeit entwickelte sich daraus auch eine gewisse Arroganz. Ich hielt mich insgeheim für etwas Besonderes, auch wenn ich mich selbst oft vom Gegenteil zu überzeugen versuchte. Nun, mit 46 Jahren, habe ich es verinnerlicht: Ich bin nicht besonders, und das ist in Ordnung. Die große Mehrheit der Menschen ist es nicht. Was jedoch von Bedeutung ist, ist das, was wir mit dieser Erkenntnis machen und wie wir anderen begegnen.
Mit dieser neuen Perspektive sehe ich andere als meine Ebenbürtigen, Menschen mit ähnlichen Herausforderungen und Antworten. Das Leben auf Augenhöhe mit anderen zu erleben, ohne überhöhte Ansprüche an mich selbst oder an sie – darauf bin ich gespannt. Ich bin neugierig, wie sich dieser Weg weiter entfalten wird.
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